gesamtÜbersicht / Frage6/ : Industrialisierung   

„Im Mittelalter arbeiteten weltweit etwa 70 % der Beschäftigten im primären, 20 % im sekundären und lediglich 10 % im tertiären Sektor – die typische Struktur eines Agrarstaates. Als erster Industriestaat weltweit gilt England,[7] dessen Aufstieg das Land der Kohle und dem Eisen zu verdanken hatte. Ab 1765 trat dort ein Umschwung ein, der sich durch sinkende Getreideexporte ankündigte, die auch auf das Wachstum der Industrie und des Gewerbes zurückzuführen waren.[8] Schrittmachertechnologien waren die Erfindung der Dampfmaschine (1712 durch Thomas Newcomen, entscheidende Weiterentwicklung 1769 durch James Watt), der Spinnmaschine (Spinning Jenny), des mechanischen Webstuhls, der Werkzeugmaschine und des Puddelverfahrens bei der Eisengewinnung. Die Erfindung der Dampflokomotive und der ersten öffentlichen Eisenbahnen bildeten das Ende der (ersten) Industriellen Revolution in England. ….
…. Nach dem Ende des Wiener Kongresses im Juni 1815 setzte die industrielle Revolution in Deutschland mit der Frühindustrialisierung ein. Hauptursachen waren unter anderem die Gründung der „Preußisch-Rheinischen Dampfschifffahrtsgesellschaft“ (Vorläuferin der Köln-Düsseldorfer Deutsche Rheinschiffahrt) im Oktober 1825,[10] im Juni 1837 folgte die Rheinische Eisenbahn-Gesellschaft, im Oktober 1843 die Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft. Hiervon profitierten der Schiff- und Eisenbahnbau. An der Spitze des Eisenbahnbaus stand die Firma Borsig, die 1841 ihre erste und 1858 bereits die tausendste Lokomotive herstellte und mit 1100 Beschäftigten zur drittgrößten Lokomotivfabrik der Welt aufstieg (Hochindustrialisierung in Deutschland).“ (wikipedia)


Industrialisierung in Deutschland

von Kerstin Hilt

„Dynamisches England, verschlafenes Deutschland
Um 1800 gibt es in Deutschland noch keine einzige Eisenbahntrasse – hundert Jahre später schon 50.000 Streckenkilometer. In den Städten rauchen Fabrikschlote, an den Börsen wird wild spekuliert, zu Hause brennen Glühbirnen statt Kerzen.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts liegt Deutschlands Wirtschaft im Dornröschenschlaf. Die meisten Menschen arbeiten jahraus, jahrein auf dem Feld oder im Stall. Das Handwerk leidet unter starren Zunftschranken. Manche Familien versuchen, sich in mühsamer Heimarbeit mit Spinnen oder Weben ein Auskommen  verdienen.
Ein anderes Bild bietet sich in England: Dort treibt die erste industrielle Spinnmaschine, die „Spinning Jenny“, die Textilproduktion zu immer neuen Rekorden, Dampfmaschinen helfen bei der Kohleförderung, und mit den englischen Kolonien in Übersee gibt es für die neuartigen Erzeugnisse der Industrie auch genügend Abnehmer.

In Deutschland, einer zersplitterten Nation ohne gemeinsames Staatsgebiet, kann man sich nicht einmal auf einheitliche Maße, Gewichte, Währungen einigen. Noch dazu schotten viele Teilstaaten ihre Märkte mit Zöllen gegeneinander ab.
In England beginnt die Industrialisierung als Werk von technischen Tüftlern und wagemutigen Investoren. Gut ein halbes Jahrhundert später wird sie auch in Deutschland angestoßen.
Napoleon erzwingt ab 1803 eine Neuordnung Deutschlands, viele Kleinstaaten verschwinden. Preußen befreit 1807 die Bauern aus der Leibeigenschaft, 1834 schließlich können mit der Gründung des Deutschen Zollvereins Waren zollfrei von einem in den anderen Staat gelangen. Ein Anfang ist gemacht.

Lokomotive der Industrialisierung: der Eisenbahnbau
Der Wachstumsmotor der zersplitterten deutschen Wirtschaft wird eine Industrie, die geradezu dafür geschaffen ist, das Getrennte miteinander zu verbinden: der Eisenbahnbau.
Ab den 1830er Jahren entstehen im ganzen Land Bahntrassen. Um die herzustellen, braucht es Eisen, und um Eisen zu Stahl zu verarbeiten, braucht es Kohle: ein Kreislauf, der sich stetig selbst verstärkt und bald eine industrielle Eigendynamik entwickelt.
Allerdings: Manche Regionen profitieren mehr von diesem ersten deutschen Wirtschaftswunder als andere. Das Ruhrgebiet entwickelt sich schnell zum Zentrum der Kohleförderung und hat mit der Firma Krupp einen wichtigen Stahlproduzenten vor Ort.
In Sachsen, wo 1850 schon mehr Menschen in der Industrie und im Handwerk beschäftigt sind als in der Landwirtschaft, profitiert vor allem der Maschinenbau: Denn der hat rund um Chemnitz schon seit der Frühindustrialisierung in den 1820ern Tradition – auch wenn man damals noch eher Spinn- und Webmaschinen für die Textilindustrie herstellte.
In Berlin schließlich feiert die Firma Borsig mit ihren Lokomotiven Triumphe. Regionen wie Ostpreußen leben dagegen bis spät ins 19. Jahrhundert hinein fast ausschließlich von der Landwirtschaft und werden auch nur äußerst zögerlich ans Eisenbahnnetz angebunden.
Mitte der 1850er Jahre kommt der erstarkenden Wirtschaft ein weiterer Faktor zugute: Nach Jahrzehnten der Armut wächst endlich auch die Nachfrage nach Konsumgütern. Die Textilindustrie boomt, Genussmittel wie Tabak und Zucker – letzterer bis vor kurzem ein Luxusprodukt – finden reißenden Absatz. Dank steigender Löhne bekommen selbst die Arbeiter ihr (kleines) Stück vom Kuchen.“ (planet-wissen für die Schule)

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