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Einleitend einige Textpassagen aus dem Buch von Frank Schätzing: Was, wenn wir einfach die Welt retten?

DER ÖKOLOGISCHE FUSSABDRUCK
Ein junger Begriff, Nachhaltigkeitsindikator schlechthin, entwickelt 1994 vom Schweizer Visionär Mathis Wackernagel und dem kanadischen Professor William Rees.
Als ökologischen Fußabdruck bezeichnet man den Teil der biologisch produktiven Gesamtfläche der Erde, der einem Menschen auf Dauer zur Erhaltung seines  Lebensstandards dient. Eingerechnet sind Nahrung, Kleidung, Wohnen und Energiebedarf, Gegenstände des täglichen Gebrauchs und Verbrauchs, Müllentsorgung und CO2-Ausstoß. Zugrunde gelegt wird – da die Flächen der Erde unterschiedlich fruchtbar sind – der Globale Hektar, eine fiktive Größe mit durchschnittlicher biologischer Kapazität.
……
Vorab: Der Planet ächzt. Teilt man die Produktivfläche der Erde unter 7,77 Milliarden Menschen auf, stehen jedem knapp 1,8 Hektar zur Verfügung, das sind zwei Fußballfelder. Nicht schlecht, denken Sie, bringen Ihre Wohn- und Arbeitsfläche in Abzug und stellen sich vor, wie Sie auf den verbleibenden 99 Prozent Fufšballfeld Hühner, Schweine und Rinder züchten, Obst und Gemüse anbauen, da ist ein schmucker Fischteich im Mittelkreis, und im Strafraum ranken frohgemut die Rebstöcke. Hübsch, funktioniert leider nicht. Ein burmesischer Hirte, thailändischer Reisbauer, Angestellter in Windhoek mag mit 1,8 Hektar hinkommen. Sie nicht. Ich auch nicht. Lebten alle Menschen auf dem Niveau der Industrieländer, bräuchten wir zwei bis drei Planeten zusätzlich.
…..
Eine wesentliche Messgröße für den ökologischen Fußabdruck ist der Wasserverbrauch. Nur 0,008 Prozent allen irdischen Wassers sind leicht zugängliches Trinkwasser, zusammen etwa 100.000 Kubikkilometer. Süßwasser ist die überlebenswichtigste Ressource überhaupt, begrenzt und in ständiger Gefahr, durch Industrialisierung und Klimawandel unbrauchbar zu werden. 70 Prozent dieses Wassers fließen in die Nahrungsmittelproduktion, 20 Prozent in die Industrie, der Rest in private Haushalte und Kommunen.“

Frank Schätzing: Was, wenn wir einfach die Welt retten? S. 200f, Kiepenheuer & Witsch GmbH

Weiter führt Schätzung zusammengefasst aus:
Wenn wir ein Frühstück zu uns nehmen mit 1 Tasse Milchkaffee, 1 Ei, 1 Scheibe gebuttertem Toast, 1 Glas Apfelsaft, 1 Banane,
dann haben wir bereits „fast 1.000 Liter Wasser auf der Uhr!“ – nämlich „überwiegend latentes (fälschlich auch ››virtuell<< genanntes) Wasser ~ Wasser also, das woanders aufgewendet werden musste, damit Kaffee und Weizen wachsen, eine Kuh Milch geben, ein Huhn ein Ei legen, Apfelbäume und Bananen Früchte tragen und all die schönen Dinge bis in Ihren Kühlschrank gelangen konnten.“ (Schätzing, S. 202)

Dürfen wir nun kein Frühstück mehr zu uns nehmen? Natürlich ist das nicht die Lösung!

„Das Problem ist nicht, dass unser latenter Verbrauch und die damit einhergehenden Treibhausgasemissionen hoch sind, sondern dass sie zu hoch sind.
…..
Ökologische Fußabdrücke belasten Umwelt und Atmosphäre, aber das ist okay, solange nicht mehr Ressourcen vernichtet werden, als sich erneuern können, die Ökosysteme keine irreparablen Schäden nehmen, wir nicht unsere Existenzgrundlagen (und die anderer Spezies) vernichten, …..“

Schätzing, S. 203
 
Eindeutig, wir müssen den ökologischen Fußabdruck unter die Lupe nehmen,
den privaten und vor allem den öffentlichen:

Auch bei der Abwasser-Behandlung brauchen wir dringend einen deutlichen System-Wechsel zur

Kreislaufwirtschaft :

Das, was wir dem System entnehmen, muss so schnell als möglich wieder zurückgeführt werden,
das, was wir dem System hinzufügen, muss kompensiert werden.

Bisher werden die meisten Abwässer aus den Kläranlagen nach der Klärung direkt in die Flüsse geleitet. Das Wasser fließt in das Meer, verdunstet, es regnet und das Wasser ist wieder da. So wird es oft beschrieben und in der Schule gelehrt. Ein Kreislauf ?  – ja, aber mit erheblicher Verzögerung!
Das Wasser ist nicht so schnell wieder dort, wo es hingehört – nämlich als Grundwasser dorthin, wo wir es dann gefiltert als Trinkwasser aus Brunnen wieder holen wollen. Das dauert  für das Tiefenwasser mehrere Jahrzehnte, also viel zu lange für unsere rasanten Verbrauch aus den Trinkwasserbrunnen.

Dieser Kreislauf muss verkürzt werden: Das Ab-Wasser muss nicht den Umweg über Flüsse und Meer nehmen, sondern soll aus der Kläranlage direkt in die Erde versickern und wieder zu „Grundwasser“ werden. Natürlich geht das in Ballungszentren nur bedingt, weil die Menge an anfallendem Klärwasser deutlich größer ist als die Flächen zur Verrieselung in die Erde.

Deswegen brauchen wir dezentrale Maßnahmen zur Kreislauf-Wasser-Wirtschaft, also zu dem Bemühen, nicht mehr zu verbrauchen als langfristig zur Verfügung steht:

Das Braunschweiger Modell

„Das gereinigte Abwasser (Klarwasser) wird anschließend auf den landwirtschaftlichen Flächen unserer Verbandsmitglieder verregnet. Die Pflanzen erhalten dadurch das notwendige Wasser und gleichzeitig wichtige Nährstoffe. Wir sichern so die Erzeugung von Nahrungsmitteln und Energiepflanzen. Die Energiepflanzen nutzen wir für die CO2-neutrale Erzeugung von Biogas in unserer Biogasanlage, wodurch Strom und Wärme für mehrere Tausend Braunschweiger Haushalte erzeugt werden.“
(Das Braunschweiger Modell)

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Das Wolfburger Modell des Wasserrecyclings und der Kreislaufwirtschaft

„Die Wolfsburger Entwässerungsbetriebe haben ein Modell der Abwasserverwertung in nachhaltigen Wasser- und Energiekreisläufen verwirklicht, welches in dieser Form einzigartig ist.

Für dieses Modell sind fünf Prozesse maßgeblich:

  1. Klassische landwirtschaftliche Verwertung von gereinigtem Abwasser unter Ausnutzung der Wertstoffe Stickstoff und Phosphor aus dem Abwasser als Düngemittelergänzung in der Vegetationsperiode
  2. Grundwasseranreicherung durch Speicherung von nährstofffreiem Klarwasser in den Wintermonaten
  3. Anbau nachwachsender Rohstoffe im Verregnungsgebiet und Energiegewinnung durch deren Verwertung in einer Biogasanlage und einem Blockheizkraftwerk
  4. Verstromung des Biogases und die Möglichkeit der weitergehenden Nutzung als Kraftstoffersatz in Fahrzeugen nach entsprechender Aufbereitung
  5. Nutzung der thermischen Energie zur Klärschlammtrocknung

Die Abwassereinigung bildet die Voraussetzung zur anschließenden Abwasserverwertung. Das Herzstück des Wolfsburger Wasserrecyclings ist somit das Klärwerk der Stadt Wolfsburg auf dem Stahlberg in Brackstedt.
Im Klärwerk wird das stark verschmutzte Abwasser so behandelt, dass durch biologische und chemische Prozesse mit hohem technischen Aufwand Klarwasser mit unterschiedlichen Eigenschaft produziert wird. Dieses Klarwasser kann dann verschiedenartig genutzt werden.“


Noch 2016 hat das Umweltbundesamt in einer Studie festgestellt, das sich „kein flächendeckender Bedarf für zusätzliche Bewässerung in Deutschland zeige.
Inzwischen wissen wir, wie kurzsichtig diese Einschätzung war.

Neue EU-Verordnung zu Wasserwiederverwendung

Die Verordnung (EU) 2020/741 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 2020 über Mindestanforderungen für die Wasserwiederverwendung trat am 26. Juni 2020 in Kraft. Am 26. Juni 2023 wird sie in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – und damit auch in Deutschland – ihre Gültigkeit erlangen.
Die Verordnung soll die Wasserknappheit in der Europäischen Union in Folge des Klimawandels durch Wasserwiederverwendung für die landwirtschaftliche Bewässerung verringern und den Mitgliedstaaten die Umsetzung mit einheitlichen Vorgaben erleichtern. Ziel ist ein hohes Schutzniveau für die Umwelt und für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Förderung der Kreislaufwirtschaft.
(Umweltbundesamt 18.05.2021: Neue EU-Verordnung zu Wasserwiederverwendung)


Unser persönlicher

Hand-Abdruck

zeigt uns, wieweit uns solche zukunftorientierten Problemstellungen bewusst sind,
und vor allem, wieweit es uns gelingt,
der Politik eine höhere Verbindlichkeit und eine zeitnahe Realisierung abzufordern.