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Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung – Gobale Umweltveränderungen (WBGU)

Auftrag

Der Mensch greift maßgeblich in die Funktionsweisen der Ökosysteme der Erde ein, und dies im globalen Maßstab. Daher wird die Gegenwart auch als Anthropozän bezeichnet. Eine friedvolle Zukunft unserer Gesellschaften hängt wesentlich davon ab, ob menschliche Entwicklung und Wohlstandsmodelle so umgestaltet werden, dass die Regeneration der Ökosysteme und damit der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit gesichert bleiben. Die von den Vereinten Nationen verabschiedete Agenda 2030 mit ihren globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) gibt hier den politischen Rahmen vor. Um die Ziele zu erreichen, ist eine grundsätzliche Abkehr von bisherigen Entwicklungspfaden notwendig – der WBGU spricht von einer globalen Transformation zur Nachhaltigkeit. Wie diese Transformation gelingen kann und welche Maßnahmen dafür relevant sind steht im Mittelpunkt der Arbeit des WBGU.
Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) wurde 1992 als unabhängiges wissenschaftliches Beratergremium eingerichtet. In Gutachten soll der WBGU

  • globale Umwelt- und Entwicklungsprobleme analysieren,
  • Forschung zur global nachhaltigen Entwicklung auswerten, Forschungsdefizite aufzeigen und Impulse für die Wissenschaft geben,
  • im Sinne von Frühwarnung auf neue Problemfelder hinweisen,
  • globale Nachhaltigkeitspolitik bewerten,
  • Handlungs- und Forschungsempfehlungen geben,

Durch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit soll der WBGU das Bewusstsein für die Herausforderungen global nachhaltiger Entwicklung fördern.

In ihrem Buch „DER KLIMAWANDEL“ fassen Rahmstorf und Schellnhuber Aussagen des WBGU zusammen:

„Die Zielvorgaben des WBGU stützten sich ursprünglich auf sehr einfache und robuste Argumente – insbesondere auf den Grundgedanken, dass ein  Erderwärmungsverlauf außerhalb des Toleranzfensters Umweltbedingungen jenseits der Erfahrungswelt der menschlichen Zivilisationsgeschichte
herbeiführen dürfte (und damit nur mit großen Mühen und Opfern verkraftbar wäre).
Seitdem aber haben viele wissenschaftliche Untersuchungen, Gutachten und Konferenzen dieses Toleranzfenster wieder und wieder bestätigt. Dadurch ist nämlich ein Gesamtbild der «planetaren Kritikalität» entstanden: Neuralgische Punkte im globalen Umweltsystem, oft als «Kipppunkte» bezeichnet, dürften im Zuge der Klimaerwärmung erreicht oder überschritten werden – die Folgen können abrupt und/oder unumkehrbar sein (siehe Kapitel 3).
Die resultierende Einsicht, dass schon im Korridor von 1,5 bis 2 °C Erwärmung einige dieser roten Linien überschritten würden, haben die Autoren 2016 in der Fachzeitschrift Nature Climate Change vorgestellt,[130] und in der Abbildung 5.1 zusammengefasst.
Die Klimaschutzaufgabe ist also gestellt und wiederholt bestätigt – wie aber den Weg dorthin gestalten?“ (S. 96f)

weiter auf Seite 99:


“ Der WBGU-Pfad zur Nachhaltigkeit

«Ist das Klima noch zu retten?» Diese immer häufiger gestellte Frage erscheint angesichts der inzwischen eingetretenen höchsten Dringlichkeitsstufe leider allzu berechtigt. Aber es gibt durchaus Grund zur Hoffnung, ja zum Optimismus. Der WBGU hat in einer Reihe von Gutachten[132] [133] [134] [135] [136] [137] aufgezeigt, wie sich die zureichende Energieversorgung der Menschheit, der wirksame Schutz der Erdatmosphäre und der faire Lastenausgleich innerhalb der Staatengemeinschaft gleichzeitig bewerkstelligen lassen. Dafür muss allerdings die Politik in großem Stile handeln, die Wirtschaft in kühner Weise investieren und die Gesellschaft entschlossen an einer neuen Industriellen Revolution mitwirken.
Der WBGU-Ansatz weist drei Kernelemente auf:
1. die klare Ausweisung von nachhaltigen Rahmenbedingungen («Leitplanken») für jegliche Strategie;
2. den expliziten Entwurf von Umbauszenarien für das Weltenergiesystem, welche jene Leitplanken beachten;
3. die unzweideutige Benennung der erforderlichen völkerrechtlichen und strukturpolitischen Maßnahmen.
Wir werden diese Elemente im Folgenden kurz skizzieren.
Alle Überlegungen sind geprägt von der Grundannahme, dass die Weltwirtschaft im 21. Jahrhundert rasant weiterwachsen und sich dies in einem deutlich gesteigerten globalen Bedarf an Energiedienstleistungen widerspiegeln wird. Eine solche Entwicklung ist nicht nur politisch kaum unterdrückbar, sondern potentiell auch mit einer Reihe von ausgesprochen wünschenswerten Zügen verbunden: Insbesondere kann sie die heutige «Energiearmut» der Dritten Welt beseitigen, wo gegenwärtig rund zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu modernen Energieformen haben. Eine auf den freiwilligen oder erzwungenen Energieverzicht der Entwicklungs- und Schwellenländer gegründete globale Umweltschutzstrategie wäre nicht nur zum Scheitern verurteilt, sondern auch verlogen und ungerecht. Der WBGU geht daher von einer weltweit weiter wachsenden Nachfrage nach Energiedienstleistungen aus. Dennoch kann der globale Primärenergiebedarf bis 2050 sinken. Das liegt daran, dass heute der größere Teil der eingesetzten Primärenergie als Abwärme vergeudet wird.
Bei einem Kohlekraftwerk mit Wirkungsgrad 35 % etwa gehen 65 % der eingesetzten Primärenergie verloren. Erzeugt man dieselbe Strommenge z.B. direkt mit Windkraft, sinkt der «Primärenergiebedarf» damit um 65 %.   …..“ (Rahmstorf, Schellnhuber, DER KLIMAWANDEL, S. 99 – 108)

Prof.Dr. Rahmstorf leitet am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung den Bereich „Wetter, Extreme & Atmosphäre“
Prof. Dr.Dr.h.c. Schellnhuber ist 1992 Gründungsdirektor des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Unter seiner Leitung wuchs das Institut auf mehr als 300 Mitarbeiter an und zeichnet sich durch einen interdisziplinären Ansatz aus. Heute ist er „Director Emeritus“.

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