Klimaschutz / Energie : Industrie   

Aus dem Kapitel „Industrie“ des Klimaplans von German Zero
„Der 1,5-Grad-Klimaplan für Deutschland“:

Mit Innovationen und Effizienz zur Klimaneutralität

Der Industriesektor – also die Gesamtheit der großen Produktionsanlagen außerhalb der Energiewirtschaft – ist mit 22 % die zweitgrößte Emissionsquelle in Deutschland. In dieser Zahl sind der Bezug von Strom und Wärme aus öffentlichen Netzen, die Emissionen durch die Verwendung oder Entsorgung von aus Erdöl und Erdgas gewonnenen Produkten und die Gütertransporte noch nicht berücksichtigt. Ungefähr zwei Drittel dieser Emissionen stammen aus dem Energieverbrauch der Industrie – also von selbst erzeugtem Strom und Wärme. Diese Emissionen können in vielen Fällen durch Elektrifizierung und durch Umstellung auf erneuerbare Brennstoffe wie z. B. grünen Wasserstoff nahezu vollständig vermieden werden. Hierfür ist der rasche Aufbau sehr großer Kapazitäten an erneuerbarer Energie erforderlich. Das verbleibende Drittel der Emissionen besteht aus sogenannten Prozessemissionen. So entstehen z. B. in der Stahl- und Zement-Produktion durch chemische Reaktionen erhebliche Mengen an CO2. Hier können teilweise die Produktionsverfahren geändert werden. In einigen Bereichen ist das nicht möglich. Dann kann nur versucht werden, weniger Material zu verbrauchen, Recycling zu nutzen oder das Produkt durch nachhaltigere Produkte zu ersetzen. Durch CO2-Recycling (CCU) können die verbleibenden unvermeidbaren Emissionen genutzt werden, um den Kohlenstoffbedarf der Chemischen Industrie mit zu decken und dort weitere Emissionen zu vermeiden. Im gleichen Maße kann dabei gleichzeitig auf fossile Rohstoffe verzichtet werden. Die erforderliche grundlegende industrielle Transformation muss durch große finanzielle Zuschüsse gezielt unterstützt werden, damit die nötigen Investitionen sicher getätigt werden können.
(Quelle: Klimaplan bei GermanZero S. 23ff – dort ausführliche Erläuterungen)

GermanZeroWichtige Maßnahmen im Sektor 3: INDUSTRIE

1. Umgestaltung der CO2-Bepreisung
Das CO2-Bepreisungssystem wird auf nationaler und europäischer Ebene umgestaltet: Klimakosten werden künftig eingepreist, so entstehen Anreize für klimafreundliche Produktionsprozesse.
(GermanZero-Maßnahme: I.1. S.80ff im Maßnahmenkatalog „Industrie“
+ Notwendigkeit eines CO2-Preises S. 14ff im Maßnahmenkatalog „C )

2. Cabon Leakage verhindern
Für energieintensive Industriezweige exisitiert die Gefahr eines Carbon Leakage, also die Emissionsverlagerung in Länder, in denen der CO2-Preis nicht gilt. Zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit werden kurzfristig Carbon Contracts for Difference (CCfD) und eine Endprodukt-Abgabe auf nationaler Ebene eingeführt. Langfristiges Ziel auf europäischer Ebene ist neben der Einführung von CCfD die Einführung eines Grenz-Ausgleichs-Regimes.
(GermanZero-Maßnahme: I.1. S.80ff im Maßnahmenkatalog „Industrie“
+ Notwendigkeit eines CO2-Preises S. 14ff im Maßnahmenkatalog „CO2-Preis )

3. Förderung der Absatzmärkte für nachhaltige Produkte
Um Absatzmärkte für CO2-arme Produkte zu stärken, verpflichtet sich der deutsche Staat, bei seiner öffentlichen Beschaffung nachhaltige und umweltbezogene Kriterien zu berücksichtigen. Zudem werden Quoten für CO2-arme Materialien implementiert.
(GermanZero-Maßnahme: II. S.140ff im Maßnahmenkatalog „Industrie“)

4. Kreislaufwirtschaft
Durch den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft werden bestehende Materialien und Produkte möglichst lang in der Nutzung gehalten. Das geschieht insbesondere durch Wiederverwendung, Reparatur und Recycling. Emissionen werden eingespart, die für die energieaufwendige Produktion von Primärmaterialien anfallen würden.
(GermanZero-Maßnahme: I.4. S.101ff im Maßnahmenkatalog „Industrie“)


 

Aus dem 6. Kapitel des Berichts vom Wuppertal Institut
„CO2-neutral bis 2035: Eckpunkte eines deutschen Beitrags zur Einhaltung der 1,5°C-Grenze“:

6. INDUSTRIE

Klimaneutralität bereits bis 2035 stellt für den Industriesektor eine besondere Herausforderung dar:
Zum einen sind bestimmte für Klimaneutralität benötigte Technologien bzw.
Prozess noch nicht kommerziell verfügbar bzw. technisch ausgereift,
zum anderen sind insbesondere in der Grundstoffindustrie die üblichen Anlagenlebensdauern sehr lang,
was für eine Transformation innerhalb von lediglich fünfzehn Jahren eine enorme zu überwindende Hürde darstellt.

Der vollständige und schnelle Ersatz fossiler Energien und fossiler chemischer Grundstoffe in der Industrie
erfordert insbesondere den Ersatz der fossilen Kraftwerke der Industrie  durch erneuerbare Energien,
die Elektrifizierung der Dampf- und Wärmeerzeugung – zum Beispiel über Elektrodenkessel und Hochtemperatur-Wärmepumpen –
und den Ersatz fossiler Grundstoffe in der chemischen Industrie durch Kreislaufführung und biogene Materialien
(unter Beachtung von deren begrenzter Verfügbarkeit).

Wegen des bestehenden hohen Reinvestitionsbedarfs sollten dabei ab sofort
ausschließlich THG-Neutralitäts-kompatible Neuinstallationen
erfolgen,
[THG = Treibhaus-Gas // THG-Neutralität = es werden entweder keine Treibhausgase in die Atmosphäre abgegeben, oder deren Eissionen werden vollständig kompensiert]
da sonst aufgrund der langen Anlagenlebensdauern lock-in-Situationen entstehen würden.

Der konsequente und schnelle Aufbau einer Kreislaufwirtschaft (circular economy)
verringert den Bedarf der energieintensiven Primärmaterial-Produktion.
Aufeinander aufbauende Strategien sind hierbei die Verringerung der Nachfrage nach Gütern und
die Steigerung der Materialeffizienz inklusive des Einsatzes alternativer und leichter recyclebarer Materialien (Reduce),
die Weiternutzung von Produkten oder Komponenten (Reuse), sowie das mechanische sowie chemische Kunststoffrecycling.

Die schnelle Einführung von (weitgehend) treibhausgasneutralen Technologien
und dafür notwendigen Infrastrukturen im Bereich der Grundstoffindustrie

erfordert forcierte Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen (Demo- und Pilotanlagen),
eine schnelle Markteinführung und flächendeckendes Ausrollen von nicht-fossilen Prozesstechnologien
(zum Beispiel Wasserstoff-basierte Stahlerzeugung), den Einstieg in eine branchenübergreifende Wasserstoffwirtschaft
inkl. Aufbau von Elektrolyseuren und Wasserstoff-Pipelines sowie den Aufbau eines CO 2 -Transportnetzes
für die Nutzung oder Endlagerung unvermeidbarer Restemissionen an CO 2 .

Die Umsetzung einer schnellen Transformation der Industrie erfordert eine Reihe von Maßnahmen.
Ein ambitionierter CO 2 -Mindestpreis ist ein wichtiges Instrument, jedoch nicht alleine ausreichend,
um notwendige innovative Schlüsseltechnologien ökonomisch attraktiv werden zu lassen.
Von hoher Bedeutung sind der Aufbau von grünen Produktmärkten (zum Beispiel grüner Stahl) sowie flankierende Maßnahmen
zur Sicherstellung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit
der Unternehmen,
um eine Verlagerung von Produktion und damit verbundenen Emissionen ins Ausland („carbon leakage“) zu vermeiden.

Wuppertal Institut, „CO2-neutral bis 2035: Eckpunkte eines deutschen Beitrags zur Einhaltung der 1,5°C-Grenze“, Oktober 2020, S. 56


Empfehlungen von „Agora“ + „Klimaneutralität“ zum Klimaziel
„CO2-Ausstoß
um mindestens 65% bis 2030 im Vergleich zu 1990 senken“

Für den Industriebereich empfehlen die drei Thinktanks, klimaneutrale Technologien in der Grund­stoffin­dustrie zu fördern. Dazu sollen Klimaschutzverträge in Form von Carbon Contracts for Diffe­rence (CCfD) gesetzlich eingeführt werden, mit denen die Differenzkosten zwischen der klimaneu­tra­len Techno­lo­gie und den am Markt erzielbaren Erlösen finanziert werden.
Graichen: „Wenn die Politik nicht schnell handelt, wird am Standort Deutschland nicht mehr inves­tiert. Schon 2022 brauchen wir ein Gesetz, das klimaneutrale Investitionen in der Industrie ermög­licht, sonst überaltert die wirtschaftliche Basis Deutschlands, denn keine Firma investiert jetzt noch in alte, fossile Technologien.“
Als weitere Instrumente für industriellen Klimaschutz werden Sonderabschreibungen, Investitionszu­schüs­se und eine Reform der Netzentgelte genannt. Mit einer Kreislaufwirtschaftsstrategie würde die CO₂-intensive Primärproduktion von Grundstoffen sowie die Abfallverbrennung reduziert und Res­sourcen- und Kohlenstoffkreisläufe geschlossen werden. Zur Kompensation nicht vermeidbarer Rest­emissionen in Produktionsprozessen (maximal 5 Prozent) halten die drei Thinktanks die Entwick­lung einer Strategie für die Abscheidung und Speicherung von CO₂ (Carbon Capture and Storage, CCS) für erforderlich.

50 Maßnahmen-Vorschläge von Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende und Agora Verkehrswende
Der gesamte Maßnahmen-Katalog „Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland“ (PDF 1MB)

 

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