Luisa Neubauer
„hat am 22. Juni 2023 im Festsaal der Universität Tübingen … über die Klimakrise und einen von Verdrängung und Banalisierung gekennzeichneten Diskurs, der dem Ernst der Lage nicht gerecht wird, gesprochen. …
Wie ließen sich Klimarealismus und Klimagerechtigkeit – jenseits der gängigen politischen Lagerbildungen und der verhärteten Diskurse – neu im Zentrum gesellschaftlicher Debatten platzieren? Welche Narrative könnten auf dem Weg in eine ökologische und solidarische Zukunft hilfreich sein?  …..
( Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübinger Mediendozentor: Aufzeichnung der Veranstaltung bei YouTube 80Min)

 

Für einen ersten Eindruck hier einige Textauszüge gemäß dem Transkript des Videos:

0:37 Einleitung durch Prof. Dr. Bernhard Pörksen, Institut für Medienwissenschaft – Universität Tübingen ….
4:04 Das ist ein entscheidender, ein definierender Moment: warum? Weil in diesem Moment, in diesem Augenblick, 1988 am 23. Juni, 35 Jahre zurück ein wissenschaftlicher Befund zu einem öffentlichen Thema wird. Seitdem weiß die Welt Bescheid. Und seitdem ist ganz gewiss unendlich viel passiert. ….
4:38 ::: aber etwas ganz Entscheidendes ist nicht passiert seit dem 23: Juni 1988:  die Emissionen sind nicht gesunken, sondern vielmehr gestiegen. Die CO2-Emission sind seit diesem Tag gestiegen, weiter und weiter, bis zum heutigen Tag. Woran liegt das? …..“

 

11:37 Luisa Neubauer beginnt: „Vielen Dank für die freundliche Begrüßung
20:23 Nie war die Menschheit fähiger, die Konsequenzen des eigenen Handels besser einzuschätzen, und doch sägt sie am eigenen Ast.
21:03 … steht die Frage im Raum: wie haben das alle anderen Menschen, gerade in privilegierten Ländern, in Deutschland, wie haben die das bis heute zulassen können, dass es so weit kommen konnte? Warum zum Henker ist es nicht gelungen, bisher genug Menschen für echten Klimaschutz zu gewinnen? 
22:22 ….nur glaube ich nicht, dass das die bedeutsame Frage ist. Die eigentliche bedeutsame Frage, und um die soll es ja heute gehen, das ist die: Wie ist es gelungen, die Menschen für immer mehr Klima Zerstörung zu gewinnen?
22:41 …und dafür springen wir einmal zurück: es wurde eben schon erwähnt, an dem besagten Juni,  23. Juni 1988, als der Nasa-Wissenschaftler James Hansen vor dem US-Senat aussagt: er erklärt, die Erhitzung habe begonnen und da sei man sich in der Wissenschaft einig. Am nächsten Tag ist er auf der Titelseite der New York Times. Was zu dem Zeitpunkt, als James Hansen dort aussagt, was zu dem Zeitpunkt auch schon in der New York Times zu lesen war und zwar seit 14 Jahren: ganzseitige Anzeigen vom Ölriesen Exxon, die Stimmung machten gegen Klimaforschung. Exxon hatte mit der eigenen Wissenschaft den Treibhauseffekt erforscht und sich entschieden das gesammelte Wissen nicht einzusetzen, um die Öffentlichkeit aufzuklären: Nein, sie hatten sich entschieden das eigene Wissen zu nutzen, um der Öffentlichkeit einen Schritt voraus sein zu können und sie in die Irre zu führen. Warum hat Exon das gemacht?
23:35 Die präsentative Potenz wissenschaftlicher Gewissheiten ist so stark, dass es gilt, sie als erstes anzufechten. Die Aussage von ‚bunte Natur dahinter‘ ist eigentlich ganz einfach. Die Daten über den Treibhauseffekt lesen sich bereits wie eine Art grobe politische Gebrauchsanweisung und das war Exxon auch klar. Die wussten, sobald sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse durchsetzen, werden in der Konsequenz Geschäftsmodelle fossiler Konzerne in Frage gestellt.
24:08 Es gab keinen Zeitpunkt in der Geschichte des modernen Klimadiskurses, in dem die Klimaforschung für sich stand. Es gab keinen Zeitpunkt, an dem die Klimaforschung nicht Teil eines Kampfes um ein fossiles Geschäftsmodell war. Ein Fakt war in der Klimakrise noch nie ein Fakt. Von Sekunde 0 an wurden Fakten als verhandelbar dargestellt.
31:50 …. und in gewisser Weise ist es auch ja hat etwas romantisch Verklärtes, dass man ernsthaft dachte, dass man gegen die fossile Welt ankommt, wenn man nur genug Informationen zusammengetragen hat. Ja, und die Bilanz heute ist, in den Worten von Schulz und Latour zu sagen: bislang bestand der Erfolg der politischen Ökologie darin, die Menschen in Panik zu versetzen, und diese gleichzeitig aus Langeweile zum Gehen zu bringen.
45:36 Die große Frage, wer hat die Macht, zu entscheiden, das eine Katastrophe eine Katastrophe ist. Unser Katastrophen-Bewusstsein ist fossil geprägt und übrigens auch unser Lösungsbewusstsein.
48:30 Es geht gar nicht um die Technologie sondern um die Machtverhältnisse hinter der Technologie.
55.03 Erst wenn die Strukturen erkannt werden, die uns an die gegenwärtigen Punkte gebracht haben, dann öffnen sich auch eben die Perspektiven, aus diesen Strukturen auszubrechen. Dann wird klar, dass Fakten uns immer antreiben. Aber ultimativ Lebensgefühle es sind, die uns inspirieren müssen. Dann wird klar, dass die Furcht vor der Katastrophe immer im Raum stehen wird, aber der entscheidende Hebel dort ist, wo die Geschichte wieder eine Verlockung wird. Dann war klar, dass wir noch nie auf ausgeglichenem Spielfeld standen, sondern immer bergauf und auch immer gegen die Fossilität in uns selber gekämpft haben, sagen was ist. Wer in der Klimakrise einfach nur Recht haben will, der wird nicht gewinnen. Gewonnen wird nicht mit Wissen, gewonnen wird mit Macht.
1:00:22 Wie hat die fossile Ausbeutung die demokratischen Parteien für sich gewinnen können? Durch das Versprechen von Machterhalt. Wie werden wir diese Dynamik überwinden? Durch einen Einzug von echten Machtperspektiven in die Ökologie.
1:01:33 Hinter einem neu zu entfachenden, demokratischen Klimadiskurs steckt also eine große Frage, und ich würde sagen, diese Frage hat fast was verheißungsvolles: Was ist es denn, das Leben, dass sich frei macht von den Zwängen und Engungen der Fossilität. Wovon träumen wir denn, wenn wir uns frei machen von Marketingwünschen der fossilen Konzerne? Wer sind wir denn in einer Welt, wenn nicht fossile Konsumenten, wenn nicht ökologische Ausbeuter, wenn nicht Normalisierer zerstörerischer Verhältnisse? Wir wissen nicht, wie Wohlstand aussieht, der nicht in Emissionen gewickelt ist. Wir wissen nicht wie ein Arbeitsmarkt aussieht, über dem die bestbezahlten Jobs nicht fossile Jobs sind. Wir wissen nicht, wie Status aussieht, der nicht direkt in fossilen Konsum übersetzt wird. Wir wissen all das noch nicht. Wir wissen nur das: Ökologie darf nicht länger ausschließlich das moralisch richtige Leben bleiben, es muss auch das gute Leben werden.Denn die Fossilität ist eben auch in uns, und sie zerreißt uns ja weiter.“

( Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübinger Mediendozentor: Aufzeichnung der Veranstaltung bei YouTube 80Min)

Sagen, was ist – die Klimakrise im Diskurs